Gruppendynamik und Gruppenpsychotherapie als Methode

Die Fachsektion Gruppendynamik und Dynamische Gruppenpsychotherapie (GD.DG) betreibt Forschung und Ausbildung in den Bereichen Gruppendynamik und Gruppenpsychotherapie. Durch Namen wie Raoul Schindler gilt die Fachsektion GD.DG innerhalb und außerhalb des ÖAGG als zentrale Wegbereiterin der Gruppendynamik und Gruppenpsychotherapie in Österreich.

Schon seit der Gründung in den 1950er Jahren differenzierten sich die Anwendungsbereiche „Gruppendynamik“ als Modell sozialen Lernens sowie Analyse dynamischer Prozesse in Klein- und Großgruppe, Team und Organisation und „Dynamische Gruppenpsychotherapie“ als anerkannte Therapieform (Psychotherapiegesetz), welche die interpersonale Situation der kleinen sozialen Gruppe psychotherapeutisch nutzt.

Beiden Bereichen gemeinsam ist die Annahme, dass menschliches Verhalten nur in der Gesamtheit von Person und Umwelt erfasst werden kann. Sie stehen somit für ein Modell, das psychosoziale Problemlagen nicht individuell betrachtet, sondern als gruppal bzw. gesellschaftlich bedingt versteht. Auch methodisch schließen beide Anwendungsschwerpunkte an Lewins Prinzip der Selbstorganisation der Gruppe an, sodass zentrale Prinzipien gruppendynamischer/gruppentherapeutischer Angebote, Settings und Interventionen, die Gestaltung und Reflexion des Gruppenprozesses selbst sind. Wie Einzelne im sozialen System Gruppe ihre Möglichkeiten und Grenzen, Rollen, Kommunikation und Entwicklung gestalten, bietet ein weites Feld an Erfahrungslernen, sowohl im Trainingsbereich als auch in der Therapie.

Die angebotenen Aus- und Weiterbildungen der Fachsektion GD.DG liegen sowohl in der Beratung als auch in der Psychotherapie.

Gruppendynamik

Gruppe ist mehr

Der Begriff Gruppendynamik geht auf Kurt Lewins Feldtheorie (1939) zurück und bezeichnet die in der Gruppe nach innen und außen wirksam werdenden Kräfte, die Veränderungen verursachen oder einer Veränderung Widerstand leisten. Forschungsgegenstand ist das Gruppenleben selbst. Seit den 1940er Jahren etablierte sich Gruppendynamik ausgehend von den USA als Forschungsfeld und Anwendungsbereich innerhalb der Sozialpsychologie.

Heute bezeichnet Gruppendynamik sowohl das aktuelle beobachtbare Geschehen in Gruppen, die Dynamik von Veränderung und Kontinuität, als auch die wissenschaftliche Erforschung solcher Prozesse. Ebenso steht der Begriff für ein Verfahren sozialen Lernens, einer Praxis sozialen und organisatorischen Handelns (König & Schattenhofer, 2006). Gruppendynamisches Erfahrungslernen führt zur Kenntnis der Eigengesetzlichkeit sozialer Systeme auf unterschiedlichen Komplexitätsebenen und fördert soziale Kompetenz.

Gruppendyamik ist

  • das Phänomen der Dynamik der Kräfte innerhalb einer Gruppe,
  • die Wissenschaft dieser Phänomene unter Zuhilfenahme von sozialpsychologischen, soziologischen und tiefenpsychologischen Konzepten und Theorien,
  • die methodische Umsetzung gruppendynamischer Verfahren um soziales Lernen in Gruppen, Teams und Organisationen zu fördern.

Gruppendynamik als Praxis

Wissen und Methoden der Gruppendynamik finden in verschiedenen Berufsfeldern Anwendung: In Prävention, Pädagogik und Erwachsenenbildung, Sozialarbeit, Wirtschaft und Politik, Beratung, Organisationsentwicklung und therapeutischer Arbeit. 

Die Arbeitsschwerpunkte richten sich nach den Anforderungen des jeweiligen Berufes, sind also feld- und funktionsbezogen anwendbar. Gemeinsam ist Gruppendyamiker:innen: Sie übernehmen Aufgaben in der Steuerung von Entwicklungsprozessen, die die Handlungsalternativen für Personen, Gruppen und Organisationen erweitern können. 

Arbeitsschwerpunkte können beispielweise sein: 

  • Arbeit mit Projekt-, Lern- und Arbeitsgruppen
  • Beratung institutioneller Veränderungsprozesse
  • Konfliktbearbeitung
  • Steuerung und Moderation von Gruppen u.a.m.

Dynamische Gruppenpsychotherapie

Jede Person ist eine Gruppe

Menschen werden in eine soziale Welt geboren. Wir leben, wachsen und entwickeln uns in Gruppen (Familie, Peergroup, Institution…). Unsere bewussten und unbewussten Bedürfnisse und Konflikte entfalten sich in Beziehungen und richten sich ein Leben lang an das soziale Gegenüber der Gruppe. Vor dem Hintergrund der Grundannahme lebenslänglicher sozialer Eingebundenheit, die auch wirksam bleibt, wenn wir einsam oder isoliert sind, wird die Gruppe als eigenes Therapieinstrument genutzt.

Die Entwicklung der Methode Dynamische Gruppenpsychotherapie (DG) ist eng verbunden mit Raoul Schindler. Sein Interesse galt dem Studium der Gruppendynamik von Familienstrukturen und Gesellschaftsformen im Hinblick auf krankmachende oder die Gesundheit fördernde Wirkung. In der klinischen Arbeit mit psychotischen Patient:innen entwickelte Schindler die Bifokale Gruppen- und Familientherapie (1952), sowie das Modell der Rangdynamik (1956). Aus dieser Verbindung sozial- und tiefenpsychologischer Theorien entstand ein eigenständiges, interpersonelles psychotherapeutisches Verfahren, die Dynamische Gruppenpsychotherapie. Inhaltliche Bezüge finden sich zu anderen psychodynamisch, interaktionell ausgerichteten Gruppenmethoden.

Dynamische Gruppenpsychotherapie

  • ist eine vom Bundesministerium anerkannte wissenschaftlich psychotherapeutische Methode, die in den letzten 40 Jahren im ÖAGG entwickelt wurde,
  • bildet die Synthese von sozialpsychologischen und tiefenpsychologischen Konzepten;
  • gruppenpsychotherapeutische, psychoanalytische und kommunikationstheoretische Konzepte sowie gruppendynamische Methoden ergeben ein ganzheitliches und integrativ orientiertes psychotherapeutisches Verfahren, das den Entwicklungsprozess von Gruppe und Einzelperson in ihrer Wechselwirkung nützt.

Ziele des therapeutischen Prozesses

Die Gruppe als eigenes Therapieinstrument bietet mit ihren vielfältigen Angeboten zur Übertragung und Rollengestaltung im aktuellen Beziehungsgeflecht, durch Wiederinszenierung von Konfliktdynamiken optimale Möglichkeiten psychosoziale Reifung zu unterstützen. Ziele im Einzel-, Paar- und Gruppensetting sind Förderung von Autonomie und Selbstgesundung sowie eine Entwicklung hin zu verbesserter Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit.