Einführungs- und Selbsterfahrungsseminare
Lernen Sie das Verfahren bei einem Einführungs- und Selbsterfahrungsseminar kennen: Die Veranstaltungen sind für das Propädeutikum als Selbsterfahrung anrechenbar. Nächste Termine:
Was ist Integrative Therapie?
Integrative Therapie ist ein methodenplurales Psychotherapieverfahren. Von Hilarion G. Petzold, Johanna Sieper und Ilse Orth ab den 1960er-Jahren begründet, wird das Verfahren entlang der empirischen Psychotherapieforschung unter Einbezug neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Entwicklungspsychologie, Neurobiologie und Sozialwissenschaften beständig weiterentwickelt.
Die Integrative Therapie ist wegweisend für die internationale Tendenz zu Methodenvielfalt in der Psychotherapie. In Österreich der humanistischen Orientierung zugeordnet, verschränken sich entlang des Tree Of Science bewährte tiefenpsychologische, psychodramatische, gestalt- und verhaltenstherapeutische Wurzeln zu innovativer Theorie und Praxis.
Wie behandelt die Integrative Therapie?
In der Behandlung zur Besserung von Leidenszuständen und Heilung bei psychischen, psychosomatischen und psychosozialen Erkrankungen ist die therapeutische Beziehung eine wesentliche Voraussetzung. Dies geschieht vor dem Hintergrund eines zukunftsorientierten bio-psycho-sozial-ökologischen Menschenbildes.
Die Behandlung in der Integrativen Therapie basiert auf therapeutischen, durch die Psychotherapieforschung evaluierten Wirkfaktoren und umfasst eine differenzierte Behandlungsmethodik.
Auf dieser Grundlage wird es möglich, Nach- und Neusozialisation sowie Kreativität zu fördern, alternative und korrektive Erfahrungen zu ermöglichen und tragfähige Beziehungsstrukturen und Zukunftsentwürfe zu entwickeln. Es kommen Einzel-, Gruppen-, Familien-, und Netzwerktherapien sowie eine Vielzahl von kreativen Methoden und Techniken zur Anwendung.
Die Integrative Therapie entstand Mitte der 1960er-Jahre in Paris. Den europapolitischen Hintergrund dieser Entwicklung bildeten die damaligen deutsch-französischen, soziokulturellen Verbindungen ebenso wie die sogenannte 1968er-Bewegung. Dieses vielfältige, interkulturelle Klima mit seinen reichen intellektuellen Angeboten war für das Entstehen eines neuen Integrationsparadigmas in der Psychotherapie der optimale Nährboden.
Der Begriff der Integrativen Therapie wurde von Hilarion G. Petzold und Johanna Sieper erstmals 1965 genannt. Ilse Orth, eine weitere Mitbegründerin der Integrativen Therapie, studierte im gleichen Zeitraum in Paris und arbeitete ab 1974 an der Entwicklung des Verfahrens mit. Anfang der 1970er-Jahre kam durch die Ärztin Hildegund Heinl die psychosomatische Orientierung in die Integrative Therapie. Durch ihren Beitrag wurden die leib- und bewegungstherapeutischen Ansätze entscheidend vertieft.
Im Paris der Nachkriegszeit begannen philosophische Diskussionen zwischen Phänomenologie, Existentialismus, kapitalismuskritischem Denken und Strukturalismus. Es entstand ein fruchtbares Milieu, in welchem sich durch die Arbeiten von Gabriel Marcel, Maurice Merleau-Ponty, Jean-Paul Sartre, Claude Lévi-Strauss, Michel Foucault oder Jacques Derrida neue Paradigmen entwickelten. Foucault und Merleau-Ponty waren auch Psychologen, mit Paul Ricœur fanden Hermeneutik und Linguistik einen Vertreter mit klinischen Interessen. Neben weiteren sind die genannten Autoren bis heute bedeutende Referenztheoretiker der Integrativen Therapie.
Die Auseinandersetzungen und Entwicklungen jener Zeit sind mit Blick auf die gegenwärtige Forschung im Bereich der Philosophie, der Soziologie, der Psychiatrie oder der Kulturwissenschaften maßgebend und bleiben für die Integrative Therapie bestimmend und richtungweisend.
In der Integrativen Therapie wird das Menschenbild in der anthropologischen Grundformel sichtbar:
Der Mensch ist ein Körper‒Seele‒Geist‒Wesen im sozialen, ökologischen und kulturellen Kontext im Zeitkontinuum. Der Mensch ist Leib‒Subjekt in der Lebenswelt.
Der Mensch wird in seiner Komplexität, im Kontext seiner ökologischen und sozialen Situation wahrgenommen. Die individuelle und soziale Entwicklung des Menschen erfolgt über seine gesamte Lebensspanne und wird im Kontinuum der Geschichte gesehen.
Der Mensch ist ein schöpferisches Wesen, das sich im Zusammenleben mit anderen in Ko-Existenz entwickeln und wachsen kann. Als Gemeinschaftswesen kann der Mensch sich in und mit der Natur selbst gestalten. Der Mensch wird als Leib-Subjekt in der Lebenswelt gesehen, als ein Wesen mit subjektiv erlebten Emotionen, Gefühlen, Gedanken, Vernunftbegabungen und Willenskräften. Das Menschenbild der Integrativen Therapie ist anschlussfähig an und teilweise wegweisend für die Embodiment-Forschung der kognitiven Neurowissenschaften.
Die Integrative Therapie als Humantherapie ist bemüht, vorschnelle Polarisierungen in Frage zu stellen und eine an komplexer Mannigfaltigkeit und Weite orientierte Sichtweise zu bewahren oder herzustellen.
Die Integrative Therapie versteht sich weiters als kritische Kulturarbeit und ist bemüht, sich der Komplexität der globalisierten Lebenswelt mit allen sozialen, ökologischen, politischen und wirtschaftlichen Problemlagen zu stellen.
Die Integrative Therapie ist ein interaktionales, psychotherapeutisches Verfahren, das auf einem wissenschaftlich evaluierten Integrationskonzept basiert. Sie verbindet dialogzentrierte Praxis, Ansätze nonverbaler Kommunikation, Leibarbeit, sowie kreative Methoden, Techniken und Medien. Zusätzlich werden Behandlungsansätze aus den vielfältigen Methoden innerhalb des Verfahrens herangezogen.
Solche Methoden sind Leib- und Bewegungstherapie, Soziotherapie, Kunst- und Kreativitätstherapie, Poesie- und Bibliotherapie, Musiktherapie oder Naturtherapie. Um den Menschen in möglichst vielen Sinnen anzusprechen, bedient sich die Integrative Therapie intermedialer Quergänge. Hier wird von einem Medium in ein anderes gewechselt.
In der psychotherapeutischen Behandlung wird diagnosebezogen eine Bündelung der genannten Methoden angewandt. Kreative Medien ermöglichen dem Menschen, seinen Grundbedürfnissen folgend, sich in vielfältiger Weise ausdrücken und gestalten zu lernen. Der Ausdruck von Malen, Formen, Schreiben, Tanzen oder Musizieren entspringt der Kreativität des Leibes. In der Hinwendung zu eigenleiblichem Spüren wird die Fähigkeit zu der Verbindung von Leib und Sprache gefördert.
Den Ressourcen und Potentialen des Menschen angepasst, bietet der Integrative Ansatz eine Vielfalt an kreativen Behandlungsmethoden: erlebnisaktivierende, einübende, modifizierende, fördernde, biografisch und systemisch integrierende, und sinnstiftende.
In der Integrativen Therapie werden auf Basis einer stabilen therapeutischen Beziehung vier Wege der Heilung und Förderung beschrieben. In der psychotherapeutischen Praxis ergänzen und überschneiden sich diese Wege in fließenden Übergängen.
Bewusstseinsarbeit und Sinnstiftung fördern die Einsicht in die eigene Biographie und den Lebenskontext sowie die Voraussicht auf Entwicklungen. Nach- und Neusozialisation geschehen im Sinne eines Reparenting und einer Stärkung des beeinträchtigten Grundvertrauens. Ressourcenorientierte Erlebnisaktivierung und Persönlichkeitsentfaltung erfolgen durch vielfältige Stimulierung, um den Erlebens-, Ausdrucks- und Handlungsspielraum der Patient*innen zu erweitern. Solidaritätserfahrung fördert die persönliche Souveränität und das Engagement für ein humanes Miteinander.
In vierzehn therapeutischen Heil- und Wirkfaktoren sind diese vier Wege der Heilung differenziert ausgeführt und dienen dem ausgearbeiteten Behandlungskonzept der Integrativen Therapie als hilfreiche und wissenschaftlich belegte Grundlage. Die Vermittlung eines lebendigen und regelmäßigen Naturbezugs, ebenso heilsamer ästhetischer Erfahrungen sowie einer synergetischen Multimodalität ergänzen als weitere drei Heil- und Wirkfaktoren das Ensemble der Förderung. In der psychotherapeutischen Behandlung sind die vielfältigen Wege der Heilung und Förderung stets im kreativen Zusammenspiel wahrzunehmen.